Sicherheitsabstand beim Überholen eines Pferdes
Sicherheitsabstand beim Überholen eines Pferdes
Corona hat einen ungeheuren Radboom ausgelöst. Alle fahren Fahrrad, manche reiten weiterhin in der Freizeit. Es kommt zu Begegnungen, die ein abgestimmtes Verhalten erfordern. Pferde sind Fluchttiere mit 700 Kg und einem Stockmaß bis zu 180 cm, Radfahrer haben es eilig, sind kaum noch hörbar und schlängeln sich elegant durch jede Engstelle. Damit kommt es zu Kollisionen.
Sorgfaltspflicht beim Überholen eines Pferdes
Fahrradfahrer haben im Straßenverkehr beim Überholen einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Diese Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zum Überholen gelten für Radfahrer auch dann, wenn sich verbotswidrig Pferde auf dem Radweg befinden.
Mit dieser Begründung hat das Landgericht Frankenthal in dem hier vorliegenden Fall einem verunfallten Radfahrer eine hälftige Mitschuld an seinen Verletzungen bescheinigt. Beim Überholen schlug eines der Pferde mit den Hufen aus und brachte den Radfahrer zum Stürzen. Er erlitt Prellungen, Schürfwunden und eine Verletzung an der Hand. Obwohl die beiden Reiterinnen den Radweg verbotswidrig benutzt hatten, trifft den Radfahrer nach dem Urteil eine hälftige Mitschuld an seinen Verletzungen.
Auffassung des Landgerichts
Nach Auffassung des Landgerichts habe sich aber gleichzeitig auch der Radfahrer falsch verhalten:
Für die Halterin eines Pferdes besteht eine sogenannte Tierhalterhaftung. Hiernach hat ein Tierhalter grundsätzlich für sämtliche Schäden einzustehen, die das Tier verursacht. Die Tierhalterin konnte sich im konkreten Fall von der Haftung auch nicht entlasten, da ihr bewusst gewesen sei, dass das Pferd auf dem nur für Radfahrer zugelassenen Radweg geritten wird.
Für Radfahrer gelten die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zum Überholen. Gleichzeitig habe sich aber auch der Radfahrer falsch verhalten: Für Radfahrer gelten die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zum Überholen auch dann, wenn sich – wie hier – verbotswidrig Pferde auf dem Radweg befinden. Da bei einem Pferd immer mit einer unvorhergesehenen Verhaltensweise gerechnet werden müsse, sei ein Sicherheitsabstand von einem Meter hier nicht ausreichend. Es hätte ein Abstand von wenigstens eineinhalb bis 2 Metern eingehalten werden müssen. Zudem habe sich der Radfahrer nicht mit den Reiterinnen über das Überholen verständigt, obwohl ihm dies unproblematisch möglich gewesen wäre.
Aus diesen Gründen trifft den Radfahrer nach dem Urteil eine hälftige Mitschuld an seinen Verletzungen. Ihm wurde u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 € zugesprochen.
Landgericht Frankenthal, Urteil vom 5. Juni 2020 – 4 O 10/19